Ich bin Tochter eines Postboten und einer Ladenverkäuferin.

Kleinbürgertum also. Desavouiert!

Unter Kleinbürgertum verstehe ich etwas Anderes. Die soziale Situation meiner Eltern in den Siebzigern und Achtzigern war eher so, dass die zur industriellen Arbeiterschaft aufschauten. Das sind so die Kleinstangestelltenverhältnisse, wie sie in dem Film Quadrophenia dargestellt sind, wo ja die Kinder dieser Familien die Rollerfahrer waren und die Rocker, die sich im Gegensatz zur Vespa ein Motorrad leisten konnten aus der Industriearbeiterschaft kamen.

Deswegen spricht ja zum Beispiel Karl Heinz Roth auch von der permanenten Neuzusammensetzung der Klasse. Generation Praktikum oder freie Handelsvertreter in krisengeschüttelten Branchen oder Architekten, die auf Provisionsbasis Reihenhäuser entwerfen sind von den Lebensverhältnissen oftmals "proletarischer" als klassische Industriearbeiter. Ich hätte ja fast in die Tischkante gebissen, als mir eine VW-Arbeiterin, die zwei vermietete Einfamilienhäuser besaß, etwas darüber erzählte, wie verantwortungslos sie es finden würde, dass ein alleinerziehender Vater, Vertriebler auf Provisionsbasis mit akademischer Ausbildung, fulltime arbeiten würde. Sie ging von Vornherein davon aus, dass der ein Vielfaches ihres Lohns verdienen würde, dabei war das jemand, der seine Lebensversicherung beleiht, um mit den Kindern in Urlaub fahren zu können.